Sonntag, 27. November 2016

Sonntagsfreude - Zero Waste Adventskranz

Sonntag, der erste Advent 2016. Der erste Sonntag im neuen Kirchenjahr kommt dieses Jahr so früh wie nur möglich, denn Heiligabend fällt auf einen Samstag. Womit sich viele schwer tun, fällt mir dieses Jahr leicht. Ich freue mich auf die Adventszeit und heiße sie gerne Willkommen.

Letztes Jahr habe ich das „Zählen der Tage“ durch die Arbeit im Kindergarten sehr bewusst erlebt. Von Tag zu Tag wurden mehr goldene Papiersterne an das Fenster geklebt und natürlich gab es einen ganz klassischen, schlichten Adventskranz, dessen Kerzen in der Mittagsrunde angezündet wurden. Dieses Jahr ist meine Herbst/Winterzeit sehr von Erinnerungen an letztes Jahr geprägt, das kenne ich so noch gar nicht von mir. So hatte ich das Bedürfnis danach, mir einen eigenen kleinen Adventskranz zu basteln.


Ich versuche immer noch möglichst wenig Müll zu produzieren, auf Plastik zu verzichten und insgesamt sparsam und durchdacht zu konsumieren. Für den „Kranz“ fielen mir leere Gläschen von Brotaufstrichen ins Auge - da es zunächst nur drei waren, habe ich die letzte Woche ein etwas ungewöhnliches Brot-zu-Aufstrich-Verhältnis an den Tag gelegt :-D In der Bastelkiste hatte ich noch Filzstreifen, ich glaube es waren Reste von Filzzuschnitten für Sitzkissen. Um die Gläschen zu verbinden, schienen die Streifen mir perfekt - sogar die Länge passte exakt. Einzig die Kerzen musste ich kaufen. Weil es keine großen Bienenwachskerzen gab, habe ich jeweils 7 kleine zusammengebunden und damit ungeplant eine Art Adventskalender geschaffen. Stabilisiert habe ich das ganze mit eingeschmolzenen Wachsresten.


Meine erste Tätigkeit heute war aber gar nicht das Anzünden der ersten Kerze, sondern der Gang in den Gottesdienst. Danach habe ich mich warm eingepackt und aufs Rad gesetzt. Die Touren sind immer geprägt von vielen Eindrücken, von denen ich nur wenige fotografisch festhalte, aber die liebevoll gestaltete Krippe in der Mauer an einem Hauseingang hat es vor die Linse geschafft.


Zurück zuhause fing es schon an zu dämmern, so dass die nun zum Leuchten gebrachte Kerze ihre Berechtigung hatte. Den Nachmittag / Abend habe ich genutzt, um einmal flott durch die Wohnung zu saugen und im neuen Zimmer eine Magnetpinnwand (die „zu Verschenken“ im Hausflur stand) und ein paar Postkarten aufzuhängen. Es fehlen allerdings noch einige, ich habe gestern vergessen, dass ich noch Büroklammern nachkaufen wollte… Und jetzt bin ich am grübeln, ob ich noch ins Kino gehe, oder den Abend gemütlich zuhause ausklingen lasse. Das altbekannte Entscheidungsproblem!

Verlinkt bei: Sonntagsfreude, Sieben Sachen Sonntag, EiNaB


Sonntag, 13. November 2016

Sonntagsneurose und Lebensfreude

Vor genau zwei Jahren habe ich auf diesem Blog den ersten Artikel veröffentlicht. Anlass genug, mich nach über einem halben Jahr mal wieder zu Wort zu melden.

Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, in der ich den Blog gestartet habe. Der Leidensdruck meiner psychischen Irrungen und Wirrungen war wohl nahezu auf dem Höchstpunkt. Ich empfand nur sehr wenig Freude an (kleinsten) Dingen und diese wahrzunehmen, wurde zu einer täglichen Übung. Circa vier Monate später startete mein Klinikaufenthalt. Wenn ich vorher gewusst hätte, wie anstrengend, aufwühlend, verletzend und demotivierend manche Tage in der Klinik sein werden, hätte ich den Schritt in diese Behandlung vielleicht nicht gewagt. Wenn ich gleichermaßen gewusst hätte, wie wertvoll die Zeit im Nachhinein für mich sein wird, hätte ich mich vielleicht schon viel früher dafür entschieden. Wie gut, dass die Dinge kamen, wie sie gekommen sind - so war ich wohl genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Nun soll dieser Artikel eigentlich kein Rückblick werden. Eher ein Einblick, vielleicht auch ein Ausblick. Wie geht es mir momentan, was beschäftigt mich, woran muss ich noch arbeiten?


Auch wenn ich von der „Wie geht es dir?“-Frage nach wie vor nicht besonders viel halte: „So weit, so gut.“ wäre wohl eine passable Antwort. Im Vergleich zur Zeit vor zwei Jahren, bin ich deutlich aktiver, habe mehr Tatendrang, hege Wünsche, mache Pläne und verfolge Ziele. Im Großen, wie im Kleinen. Ich arbeite von Montag bis Freitag und manchmal auch am Wochenende, treffe darüber hinaus Verabredungen, treibe Sport, besuche Konzerte und Gottesdienste oder gehe ins Kino… Was für viele völlig selbstverständlich ist, war es für mich lange Zeit nicht. Ich empfinde wieder diese so wichtige, grundlegende Lebensfreude. Tage sind nicht mehr nur dazu da, um vorbei zu gehen, sondern, um genutzt zu werden.

Weil Entscheidungen treffen nach wie vor ein eher leidiges Thema ist, brauche ich dabei möglichst viel Struktur. Feste Tages- bzw. Wochenprogramme erleichtern mir den Alltag dahingehend, dass mich der Kampf mit der Frage „Was mache ich jetzt?“ nicht mehr allzu häufig aus der Bahn wirft. Leider passiert das dennoch weiterhin regelmäßig, weil mir irgendwo noch eine gehörige Portion Lustempfinden fehlt. Das Gefühl richtig Lust auf etwas zu haben, ist sehr sehr selten, so dass ich auch wenig „nach dem Lustprinzip“ entscheiden kann. Zusätzlich verspüre ich das starke Bedürfnis nach Sinnhaftigkeit meiner Tätigkeiten. Dennoch wagte ich den Schritt, beruflich nun einer Beschäftigung nachzugehen, bei der ich meine Arbeit größtenteils selber organisieren muss und nur wenig klare Aufgaben oder zeitliche Vorgaben bekomme. Das ist eine tägliche Herausforderung, in die ich definitiv noch herein wachsen muss möchte.

Eine andere große Herausforderung sind Sonntage. „Sonntagsdepression“ oder auch „Sonntagsneurose“ sind nicht nur für mich keine unbekannten Begriffe. Vor zwei Jahren veröffentlichten Hamburger Forscher die Studie „Rythms and Cycles in Happiness“ , in der das Auftreten von Sonntagsneurosen in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen systematisch untersucht wurde. Den Forschern zufolge hadern vor allem Menschen mit hohem Bildungsabschluss mit ihrer Freizeit. Einerseits möglicherweise aufgrund zunehmender Unsicherheit im Berufsleben, und damit unsicherer Erwartungen an den nahenden Montag. Andererseits vielleicht auch aufgrund des Bedürfnisses nach beruflicher Bestätigung und dem Ziel, seine Zeit „sinnvoll“ zu verbringen. Je weniger diesen Verlangen im Berufsalltag nachgekommen wird, desto größer die Gefahr, sie mit ins Wochenende zu nehmen?

Ein Generationsproblem scheint die Sache jedoch nicht zu sein. Bereits 1919 beschrieb der Analytiker Sándor Ferenczi in seinem Aufsatz „Sonntagsneurosen“ Patienten, die an Sonntagen von „mehr oder minder lästigen psychischen Zuständen geplagt“ sind, „die sich ohne besondere Ursache an diesem Tage einzustellen pflegten und den jungen Leuten den einzigen freien Tag der Woche oft gründlich verdarben.“ Und in den 50er Jahren beobachtete der Neurologe und Psychiater Viktor E. Frankl das "Gefühl der Öde und Leere, der Inhaltsleere und Sinnlosigkeit des Daseins, wie es gerade beim Stillstand wochentägiger Betriebsamkeit im Menschen aufbricht und zutage tritt“.


In meinem Fall mögen manche Aspekte passend und andere unpassend sein, aber Sonntage sind sicher nicht meine Lieblingstage. Vielleicht ist es am ehesten das Gefühl, dass etwas „zu Ende geht“, welches mir unangenehm ist. Nun finde ich mit wachsender Erkenntnis des Problems für mich glücklicherweise auch Mittel dagegen anzukommen. Sehr wichtig ist es, raus zu gehen. Am besten an Orte, an denen Menschen zu erwarten sind, die über die Tatsache, dass Sonntag ist, glücklich zu sein scheinen. Solche zu finden, ist nicht besonders schwierig - es kann der Spielplatz ums Eck, ein gut besuchtes Café in der Innenstadt oder ein beliebtes Ausflugsziel in der Umgebung sein. Kino, Theater oder Konzerte erfordern etwas mehr Planung und Entscheidungswille, eignen sich aber nicht minder gut.

Das vielfältige Angebot sonntäglicher „Eintritt frei - um Spenden wird gebeten“ Konzerten am neuen Wohnort ist meine heutige, vergangene und hoffentlich auch zukünftige Sonntagsfreude. Passend dazu zeigen die Collagen sieben Bilder sonntäglicher Unternehmungen der letzten Wochen und wandern damit in der Hoffnung nach langer Funkstille wieder ein paar Leser auf den Blog zu locken zur Sieben-Sachen-Sonntag-Sammlung.

P.S. Der Nachteil des hier so vielseitigen Angebotes: Oft - so auch heute - muss ich zwischen zwei oder mehr Konzerten wählen. Sinfonieorchester, eines der beiden Gospelkonzerte oder doch zum Public Viewing des 1000.Tatorts? Damit mich dann nicht doch wieder das „Was mache ich jetzt?“ Grübeln aus der Bahn wirft, lasse ich in solchen Fällen manchmal einfach das Los entscheiden. Schwierig ist es dann nur noch, die Entscheidung nicht in Frage zu stellen.

Sonntag, 24. April 2016

Sonntagsfreude - Laufen

Der positive Effekt von sportlicher (physischer) Betätigung auf das psychische Wohlbefinden wird in einer Vielzahl medizinischer Studien bestätigt. In einer aktuellen Studie untersuchte Emily E. Bernstein, eine Psychologieprofessorin aus Harvard, inwiefern tägliche Aerobic Übungen oder Jogging Runden helfen, Schwierigkeiten bei der Regulation von Emotionen zu überwinden. Hier konnte insbesondere den Aerobic Übungen eine positive Wirkung bescheinigt werden. Aber auch das Joggen kann helfen, Emotionen zu regulieren, Gedanken zu sortieren, ja sogar Entscheidungen zu treffen.

„Every major decision I’ve made in the last eight years has been prefaced by a run“ erklärte der Filmemacher und Youtuber Casey Neistat dem Magazin „Runner’s World“. Auch ich habe schon einige (wichtige) Entscheidungen während oder nach dem Laufen getroffen (unter anderem die für die neue Stelle im Rheinland). Und wenn ich in den letzten Wochen am Feierabend die Laufschuhe geschnürt und meine Runde im Stadtwald gedreht habe, tat ich das, um „raus zu kommen“. Nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes, sondern auch gedanklich. Raus aus dem Büro an die frische Luft und raus aus den Gedanken des Arbeitstages.


Spaß habe ich beim Laufen eigentlich nicht. Im Gegensatz zum Radfahren finde ich es eher mühsam und muss mich manchmal richtig zwingen mich aufzuraffen. Im Gegensatz zu Radfahrern bringen Läufer einem auch selten einen fröhlichen Gesichtsausdruck entgegen, wenn sie einem entgegen traben. Aber das Gefühl nach dem Laufen ist ein angenehmes. Erschöpft, aber zufrieden etwas geleistet zu haben und vor allem (meistens): klar im Kopf! Die letzten Wochen bin ich zudem mit dem Ziel gelaufen, mich auf den heutigen 10km Lauf vorzubereiten. Und das hat mir (wie bei den Teilnahmen der letzten Jahre) richtig Freude bereitet. In einer riesigen Gruppe zu starten, vom Streckenrand aus angefeuert zu werden und das Gefühl etwas geschafft zu haben am Ende mit tausenden anderen fremden und bekannten Mitläufern zu teilen - das macht Spaß! Und während ich meine Trainingsrunden teilweise (größtenteils) eher gemächlich absolviert habe, bin ich die 10 km heute sogar nicht nur in persönlicher Bestzeit, sondern auch gleich zum ersten Mal unter 50 Minuten gelaufen. Sonntagsfreude!

Jetzt werden die Laufsachen guten Gewissens eine Pause einlegen. Als Ersatz packe ich den Wanderrucksack und starte auf meine erste mehrtägige Wandertour. Ich bin schon gespannt, ob mich die Füße ähnlich zuverlässig tragen werden, wie beim heutigen Lauf. Und bin mir sicher, dass die Stunden, die wir in 6 Tagen auf italienischen Wanderwegen verbringen werden, mindestens genauso gut zum Gedanken sortieren und Entscheidungen treffen taugen, wie die Jogging-Runden im Stadtwald.

Dienstag, 12. April 2016

Geschwisterbeziehungen - zweiter Teil

Über die Beziehung zu meinem Bruder habe ich hier schon einmal geschrieben. Geändert hat sich seitdem nicht viel und das eher in positiver Hinsicht. So hatte ich bei den letzten Familienzusammenkünften das Gefühl, mein Bruder hat ein wenig Egoismus durch Rücksichtnahme uns gegenüber eingetauscht und mir fiel es umgekehrt leichter als früher über die Spuren in Küche und Bad hinweg zu sehen. Die selbstgestrickten Socken stehen zu meiner Freude immer noch hoch im Kurs.

Von meinem Bruder habe ich jedenfalls jede Menge gelernt und vielleicht würde er dieses Kompliment ja sogar zurück geben. Aktuell wird er vom Lernen jedoch fürs erste genug haben und sich nach wochenlangem Lernprozess eine höchstverdiente Pause gönnen. Davor muss das in- und auswendig gelernte „nur“ noch abgeliefert werden - ich spare mir an dieser Stelle einen Kommentar über meine Gedanken zur Sinnhaftigkeit dieses, unserem Bildungssystem geschuldeten Prozedere. Das Examen schafft er auch noch, da bin ich mir sicher. Um ihm das Überstehen ein wenig zu erleichtern (falls das nur irgendwie möglich ist), habe ich es mir nicht nehmen lassen, ein kleines Survival-Kit zu schicken.


Darin gelandet sind:
Schokolade - als Nervennahrung
Halsbonbons - zum Durchatmen
ein roter Faden - falls er seinen verliert
Kräutertee - zur Entspannung
Energieriegel - gegen sinkende Konzentration
und ein Stein - der ihm vom Herzen fallen kann.

Inspiriert hat mich dieser Artikel der letzten Creadienstag-Runde und teilnehmen möchte ich mit meinem kleinen Paket am heutigen Creadienstag. „Geschwisterbeziehungen sind einmalig, weil es keine andere Form der Beziehung gibt, in der dieselbe Biologie und Soziologie geteilt wird“, erklärt der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort. Ich jedenfalls drücke meinem Bruder die nächsten drei Tage so fest es geht die Daumen und hoffe, dass meine guten Gedanken dementsprechend auf einer besonders zuverlässigen Leitung übertragen werden. Toi, toi, toi.

Sonntag, 10. April 2016

Sonntagsfreude - Sein

„Es geht ums Sein und nicht ums Werden.“ Noch so ein Spruch, den ich oft im Sinn habe. Dabei kann ich nicht mal eine Quelle zuordnen. Vielleicht mal irgendwo gelesen? Falls Google die Weiten des Internets zuverlässig durchsucht, dort schonmal nicht. Vielleicht aber auch nur gehört - in einem Film z.B.? Oder aber in einer der zahlreichen Therapiestunden, denen ich beisitzen durfte. Letzteres erscheint mir am wahrscheinlichsten. Vielleicht, so ganz vielleicht, stammt der Satz aber auch von mir. Die Erkenntnisse aus 100 + x Stunden tiefenpsychologischer Analyse, auf den Punkt gebracht.

Gestern habe ich über die Analogie zwischen Wetter und Emotion geschrieben (aktuell und dazu bestens passend habe ich heute diesen Cartoon entdeckt). Das Wetter als „Sein“, die Witterung als „Haben“ und das Wettergeschehen als „Werden“ und schon steht der Vergleich. Sein, Haben und Werden möchte ich heute etwas genauer betrachten. In umgekehrter Reihenfolge.

„Werden“ ist das was in unserer Gesellschaft mittlerweile einen großen Stellenwert einnimmt. Los geht es spätestens in der Schule (teilweise sogar schon viel früher, Stichwort: Frühförderung). „Kind, was soll nur aus dir werden?“ fragt Oma den 7jährigen Maxi, dessen Lehrerin ihm bescheinigt „zum wiederholten Male die Hausaufgaben vergessen“ zu haben. Und ein Jahr später dann: „Was möchtest du denn mal werden?“ Maxi sagt „Indianer“ und versteht nicht, warum Oma resigniert den Kopf schüttelt. Wir lernen, etliche Tätigkeiten und Gedanken darauf auszurichten, unser „Werden“ zu beeinflussen.

Das „Haben“ ist meist eng damit verknüpft und auch hier lernen wir oft schon früh, wie wichtig (materieller oder monetärer) Besitz ist. Die 10€, die Maxis Oma ihm für das unerwartet gute Zeugnis zusteckt, das neue Modellauto, dass er sich davon kauft oder der Lohn, den sein Vater monatlich nach harter Arbeit auf dem Konto erwartet, um sich endlich ein Motorrad zu anzuschaffen. Ist es wirklich das, was die beiden glücklich macht? Oder ist Maxi letztendlich viel zu angestrengt damit beschäftigt, das Auto vor seinem kleinen Bruder zu verteidigen, während seinem Vater bei all der Arbeit gar keine Zeit bleiben würde für die regelmäßige abendliche Motorradtour, von der er so intensiv träumt…

Warum sind wir so bedacht darauf, auf Momente hinzuarbeiten, die wir uns im Vorfeld viel zu oft viel zu anders vorstellen, als es dem tatsächlichen Erleben entsprechen würde? Warum sind wir gedanklich oft so viel mehr in der Zukunft als im Hier und Jetzt? Eine berechtigte Frage. Kindern fällt es um Längen leichter im Moment zu leben. Die Fähigkeit autobiografische Ereignisse zeitlich zu ordnen, entwickelt sich erst ab dem 8. Lebensjahr. Kausal-motivationale Kohärenz (Tun der Vergangenheit mit Resultaten bzw. Erwartungen der Zukunft zu verknüpfen) als Teil dieser zeitlichen Kohärenz entsteht im Wesentlichen zwischen dem 12. und 20. Lebensjahr. Die Kinder, die ich im Kindergarten kennen lernen durfte, konnten nichts damit anfangen, wenn man ihnen versprach den großen Hängesessel "morgen" wieder aufzuhängen. Sie konnten das Glücksgefühl, dass ihnen das Schaukeln hier und jetzt brachte, gedanklich nicht an eine Aussicht auf möglicherweise kommende Umstände koppeln und auf den folgenden Tag übertragen.


Ich habe die Erfahrung gemacht, dass echte Glücksmomente nicht planbar sind. Wenn mich das schaukeln jetzt glücklich machen würde, wer sagt, dass mir morgen dabei nicht flau im Magen oder schwindelig wird? Darüber hinaus hat ein Glücksgefühl für mich meist wenig damit zu tun, dass ich etwas „geworden“ bin oder dass ich etwas „habe“. Stattdessen kommt es kraftvoll, meistens ohne Ankündigung, oft ohne mein Zutun, manchmal sogar ohne greifbaren Grund. Immer ist es ein Gefühl des „Seins“.

So zum Beispiel Momente auf dem Fahrrad, geprägt von Entdeckung von Landschaft, Natur, Tieren, Orten, Menschen, …Oder auch meine heutige Sonntagsfreude. Seit längerem träume ich vom eigenen Gemüse- und Obstanbau, letzten Sonntag habe ich schon erwähnt, dass ich sehr spontan eingeladen wurde, in einem Schrebergarten mitzuhelfen. Heute habe ich Eimer, Schaufel und Harke in die Hand genommen und mein erstes eigenes Gemüsebeet angelegt. Völlig unbedarft, habe ich drei Stunden lang in der Erde gebuddelt, um am Ende die ersten Samen zu verteilen. Habe ich dabei an das Ergebnis gedacht? Nein, ich war so vertieft und vollkommen zufrieden mit mir selbst, dass mir der Tag und die Tätigkeit in positiver Erinnerung bleiben wird, ganz egal, ob ich in ein paar Wochen oder Monaten die Früchte meiner Arbeit ernten kann, oder nicht.


Dazu beigetragen haben viele Dinge. Die Sonnenstrahlen (womit ich die Brücke zum Wetter nochmals schlage), die Marienkäfer, Hummeln, Regenwürmer, Tausendfüßler, … die Begegnungen in und um dem Garten herum, der Weg dorthin, der Weg zurück, der Kontakt zur Erde mit Händen und Füßen. Ich bin begeistert und überzeugt vom Barfuß laufen, das habe ich bereits in meinem ersten Blogartikel erwähnt und auch der Titel des Blogs ist letztlich darauf zurückzuführen. Die Freude heute barfuß in der Erde herum zu stapfen war doppelt so groß wie ich vorher dachte und die Füße waren danach auch nur halb so dreckig wie meine Mutter im Vorfeld sicherlich befürchtet hätte. Meine Gedanken zu Werden/Haben und vor allem Sein teile ich gerne nicht nur als Freude sondern auch als Inspiration. Und an Morgen denke ich heute sicher nicht mehr!

Samstag, 9. April 2016

"Hinter den Wolken scheint immer die Sonne"

sagt man. Ein Postkartenspruch, den ich, entsprechend Wetter- und/oder Gefühlslage regelmäßig im Sinn habe. „Das Wetter charakterisiert den Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt“ erklärt Wikipedia, und sei damit „das augenblickliche Bild eines Vorgangs“, nämlich dem des Wettergeschehens. „Der allgemeine Charakter des Wetters über einen längeren Zeitraum betrachtet“ wird als Witterung bezeichnet.

Gefühle funktionieren ähnlich, finde ich, und wage es die Definition zu analogisieren. „Das Gefühl charakterisiert den Zustand einer Person an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt“ als „augenblickliches Bild seines Daseins“. Das Wetter als „Sein“, die Witterung als „Haben“ und das Wettergeschehen als „Werden“ und schon steht der Vergleich.

Und der Zusammenhang geht sogar noch ein Stück tiefer. Als „wetterfühlig“ bezeichnet man Menschen, die überdurchschnittlich empfindlich gegenüber Witterungserscheinungen sind. Symptome können neben körperlichen, wie Kopfschmerzen oder Schlafstörungen, auch seelische Leiden sein. Gleichermaßen wird dem ganzen eine umgekehrte Kausalität unterstellt: Forscher behaupten, dass psychisch Beeinträchtige stärker auf Witterungsbedingungen reagieren als gesunde Menschen. Wenn das Wetter auf die Psyche schlägt und die angeknackste Psyche übersensibel auf das Wetter reagiert, ist der Teufelskreis perfekt. Ursache wird zu Wirkung, Wirkung zu Ursache und einer Verstärkung der Symptome steht nichts mehr im Wege. Am Ende weiß keiner mehr was zuerst da war: das Wetter oder die miese Stimmung?

Ich weiß nicht recht, ob ich an Wetterfühligkeit glaube. Medizinische Studien, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Wetter und Wohlbefinden nachweisen, gibt es laut Wikipedia nicht. Und ist es nicht bei jeglichen Umständen so, dass sie die Stimmung des Einen mehr und die des Anderen weniger beeinflussen?

Mich selber würde ich jedenfalls nicht als wetterfühlig bezeichnen. Momente, in denen mir das Wetter auf die Stimmung schlägt, kenne ich gut und das ist ganz unabhängig von der Ausprägung möglich. Aber ich reagiere nicht hochsensibel, sondern vielmehr äußerst wohlwollend und sehe das als Schlüssel zum Erfolg. Wenn Menschen sich über das Wetter aufregen, denke ich mir oft, es gäbe doch so viel wichtigeres in das man seine Energie stecken könnte. Ich versuche das Wetter anzunehmen wie es ist und das zunächst wertfrei. Ich kann ohnehin keinen Einfluss darauf nehmen (außer durch einen Ortswechsel, der in den seltensten Fällen spontan in ausreichendem Ausmaß machbar ist).

Die Steigerung der wertfreien Wahrnehmung ist die positive Wahrnehmung. Hier stellt mich das Wetter vor eine größere Herausforderung. Vor allem an die sintflutartigen Regenfälle, wie ich sie in dieser Regelmäßigkeit bislang an keinem Wohnort erlebt habe, musste ich mich erstmal gewöhnen. Geholfen hat die Anschaffung eines Regenponchos - meine „Investition des Monats“ im Januar. Wer nicht glaubt, dass es eine wahre Freude sein kann mit so einem Teil durch strömenden Regen zu radeln, der möge es nur einmal selbst ausprobieren. Es lohnt sich, man bleibt erstaunlich trocken und als es nach der Anschaffung das erste mal wieder in Strömen regnete, habe ich mich darüber gefreut, der Welt endlich den neuen Poncho präsentieren zu können.


Das Frühlingswetter macht es mir leicht, es positiv zu sehen. Wie wunderbar sind die ersten wärmenden Sonnenstrahlen, die ersten Tage, an denen ich in der Mittagspause ohne Jacke rausgehen konnte, die ersten summenden Bienen, blühenden Sträucher, zwitschernden Vögel, … Genauso gehört für mich auch ein bedeckter, wolkenverhangener Himmel dazu. Die Natur erwacht und das nicht von heute auf morgen. So wie ich morgens durchaus mal etwas länger brauche, gönne ich auch dem Wetter seine Zeit, sich auf die wärmere Hälfte des Jahres einzustellen. Und Frühlingsregen? Wer einmal bewusst den Geruch bei leichtem Nieselregen oder nach einem Regenschauer an Frühlingstagen wahrgenommen hat, wird auch diesen nicht mehr missen mögen. So haben mich weder die Regentropfen auf der Nase bei der Feierabend-Jogging-Runde am Donnerstag, noch der Schauer gestern Abend, als ich mit dem Rad nach der Arbeit unterwegs war, um noch ein paar Besorgungen zu machen, gestört - ganz im Gegenteil.

Der Anblick danach: das perfekte Bild zu „Hinter den Wolken scheint immer die Sonne“. Dichte, dicke, dunkle Wolken am Himmel, aber irgendwo kam sie durch und hat das Haus gegenüber Scheinwerfer-artig in Szene gesetzt. Ist es mit unseren Gefühlen nicht oft genauso? Selbst Tage, an denen ich mich niedergeschlagen, betrübt, vernebelt, unruhig (man beachte Parallele der Begrifflichkeiten zum Wetter) oder frustriert, traurig, wütend fühle, beinhalten Momente, die mir das sprichwörtliche Lächeln ins Gesicht schauen, und sind sie noch so kurz und unscheinbar. Diese bewusst wahrzunehmen, ist eine tägliche Übung.

Wer anfangen möchte zu üben, kann es sich erleichtern, indem er über Dinge nachdenkt, die ihm unabhängig von Wetter- und Gefühlslage gut tun. Sich in ein schönes Café setzen und ein Heiß- oder Kaltgetränk (je nach Wetterlage ;-)) zu genießen, kann eine Möglichkeit sein. Ist es draußen trist und grau, macht man es sich drinnen gemütlich und beobachtet, wie sich die Menschen draußen entnervt durch den Wind und Regen kämpfen. Haben die Sonnenstrahlen Kraft genug, Psyche und Körper zu erwärmen, sitzt man draußen und ist mitten drin im Geschehen.


Heute steht eine Radtour auf meinem Programm. Die Sonne scheint und den Samstagskaffee (mit dem ich mich zum virtuellen Kaffeeklatsch und zum Samstagsplausch geselle), den ich mir im Anschluss oder währenddessen gönnen werde, werde ich vielleicht sogar mit Blick in den freien Himmel genießen können. Mal sehen, wie beständig die Wetterlage heute ist. Übel nehmen, werde ich ihr einen Umschwung nicht: die kenne ich doch nur zu gut von meiner eigenen Gefühlslage.

Sonntag, 3. April 2016

Sonntagsfreude - Plastikfrei

Nach den ersten Touren des Jahres am letzten Wochenende in der Heimat, habe ich gestern die erste lange Radtour in der neuen Umgebung gemacht. Man muss eine ganze Weile fahren, bis man die städtische Gegend hinter sich lässt und dann ziemlich aufpassen nicht direkt in der nächsten Stadt zu landen, aber ich habe ein paar schöne Wege gefunden. Die Welt mit Radleraugen sehen, tut mir gut und ich kann gar nicht erklären warum.


Besonders gefreut habe ich mich gestern über die milden Temperaturen und über die vielen Triebe, Knospen und Blüten, die mittlerweile zu entdecken sind. In einem Waldabschnitt wurde sogar darauf hingewiesen, die Wege nicht zu verlassen, da der Waldboden im Frühjahr vollständig mit Wildblumen bedeckt ist (was man in dieser Gegend nur noch selten beobachten kann). Es sah so aus, als würde der freundliche Hinweis wirken :-)

An anderen Teilen der Strecke, vor allem entlang stärker befahrenen Straßen, zeigte sich ein weniger schönes Bild. Alle paar Meter Müll, hier eine Tüte, da eine Verpackung, dort ein Kaffeebecher… Das meiste davon aus Plastik. Wir muten unserer Umwelt vieles zu, was sie eigentlich nicht langfristig verkraften kann und Plastik gehört dazu. Anfang März habe ich mich entschieden einen kleinen Beitrag zu leisten und versucht plastikfrei einzukaufen. Ich habe es mir wesentlich schwieriger vorgestellt und bleibe auf jeden Fall dabei. Dabei habe ich mich im Vergleich zu diesem und ähnlichen Beispielen wirklich nicht mit Ruhm bekleckert und trotzdem ein Häufchen Plastikmüll zu verbuchen.


Der Plastikmüll stammt im Wesentlichen aus Vorräten, bei denen ich mir nun überlege, wie ich sie, einmal aufgebraucht, auch plastikfrei besorgen kann. Polenta in einer Papiertüte habe ich z.B. schon entdeckt. Manche Dinge werde ich mir trotz Verpackung zugestehen, z.B. die Hafermilch und bestimmt auch hin und wieder einen Energieriegel. Konsequent bleiben möchte ich bei Obst und Gemüse und das ist im Bioladen oder auf dem Markt erfreulicherweise auch kein Problem. Mal sehen wie ich mich schlage, wenn die ersten Alltagsgegenstände wie Duschgel und Waschmittel ausgehen. Bambuszahnbürsten stehen schon auf der Liste und inspirieren lasse ich mich bei #EiNaB.

Vielleicht geht dieses Jahr sogar der Traum eines kleinen Gemüsegartens in Erfüllung. Spontan hat sich das Angebot der Mithilfe in einem Schrebergarten aufgetan, den ich mir heute direkt angeschaut habe. Dabei sind dann doch noch ein paar mehr Fotos entstanden und auch wenn ich genau wie gestern mit dem Rad unterwegs war, erlaube ich es mir meine Frühlingsspazierfahrt inmitten dieser Sammlung von Frühlingsspaziergängen zu verlinken :-)

Freitag, 1. April 2016

Update: Kreativität

Auch wenn ich nicht darüber gebloggt habe: gebastelt, gestaltet und gewerkelt habe ich weiter viel. Es sind einige kreative Dinge entstanden, aber vielleicht weniger solche, die sich dafür eignen, hier in eigenen Beiträgen gezeigt zu werden. Deswegen fasse ich das ganze kurz zusammen.

Die Weihnachtszeit verging vor allem durch den spontanen bevorstehenden Ortswechsel mal wieder wie ein Elektronenflug im Teilchenbeschleuniger und in den Genuss selbst gemachter Geschenke kamen, abgesehen von Plätzchen und kleinen Zeichnungen, nur meine Oma, mein Vater und mein Bruder. Letzterer dafür gleich dreifach im Laufe des Herbst/Winters: aus biozertifizierter Wolle („Kontrolliert biologische Tierhaltung“) habe ich ihm (mal wieder) drei Paar Socken gestrickt. Von den letzten - einfarbig rot - ist gar kein Bild entstanden, so schnell wurden sie getragen. Zur Sache mit der Wolle habe ich mir einige Gedanken gemacht, möchte an dieser Stelle aber gerne anderen das Wort überlassen und verweise auf einen, wie ich finde sorgfältig ausgearbeiteten Artikel, der einen guten Überblick bietet und größtenteils aktuell sein sollte.


Die Häkelliebe ist nach wie vor groß. Für meinen Vater habe ich, inspiriert durch die anthroposophische Kindergartenausstattung, ein Schneckenband gehäkelt. Auch davon ist bislang leider kein Foto entstanden. Dafür aber von den Untersetzern, die ich für meine Oma gehäkelt habe. Zur Stabilisierung sind sie auf Filz aufgenäht. Was mir nach wie vor am besten gefällt und am meisten Spaß macht, ist Tapestry Crochet. Die Hülle für das neue Smartphone ist mir fast wichtiger als das Smartphone an sich. Eine weitere ist leider ein kleines bisschen zu schmal geworden und wird von den Familienmitgliedern mit Telefonen passender Größe verschmäht. Sie dient mir daher als Brillenetui.


Ansonsten sehe ich das Gestalten der Zimmer, in denen ich untergekommen bin, als kreativen Prozess, der mir sowohl in Berlin, als auch in der Kölner WG sehr gut getan hat bzw. tut. Die Postkartensammlung, die im letzten Beitrag zu erkennen ist, passend anzuordnen, Bilder aufzuhängen, Pflanzen (nur Kakteen, für alles weitere sind meine Daumen nicht grün genug) und Kerzen aufzustellen, das Zimmer sauber und ordentlich zu halten… All das trägt momentan zu meinem Wohlbefinden bei. Und so musste es heute nach Feierabend sogar noch eine Radtour zum Baumarkt sein, um Holzleisten zu besorgen, die nur darauf warten dieses Wochenende zugesägt und abgeschliffen zu werden, damit zwei weitere Bilder nach einem eigens ausgetüftelten Prinzip ihren Platz an der Wand finden können. Eine willkommene Abwechslung vom neuen, ungewohnten Büroalltag.

Montag, 28. März 2016

Lebenszeichen - In Bewegung

Ca. 100 km habe ich am Osterwochenende auf dem Rad verbracht, etwa 40 weitere zu Fuß zurück gelegt. Vor etwas weniger als einem Jahr, bin ich nach einer über sechsmonatigen Zwangspause das erste mal wieder Rennrad gefahren. Mehrere Tausend Kilometer haben Renn- und Tourenrad seitdem zurückgelegt. Vom nordöstlichsten Eck Deutschlands - Usedom - bis in die südwestliche Ecke des Saarlandes - das Radfahren, die Bewegung, das Vorankommen wurden zu entscheidenden Bestandteilen meiner Entwicklung. Das Wort Genesung möchte ich nicht verwenden, und ob ich mich als „gesund“ bezeichnen würde? Ich weiß es nicht.


„Die Gesundheit des Menschen ist ein (undefinierter) Zustand des körperlichen wie geistigen Wohlbefindens und somit die Nichtbeeinträchtigung durch eine Krankheit.“ Das wichtigste Wort wird ausgeklammert: undefiniert, der Albtraum eines Mathematikers. Ein bekanntes Onlinelexikon bietet dennoch verschiedene Definitionen des Undefinierbaren an, die sich in ihrer Bedeutung mehr oder weniger überschneiden. Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie schreibt: „Gesundheit wird als mehrdimensionales Phänomen verstanden und reicht über den ‚Zustand der Abwesenheit von Krankheit‘ hinaus.“ Nietzsche findet mit „Gesundheit ist dasjenige Maß an Krankheit, das es mir noch erlaubt, meinen wesentlichen Beschäftigungen nachzugehen.“ etwas einfachere Worte mit ähnlicher Aussage.

Was Nietzsche mit „Krankheit“ meint, bleibt offen und auch ich tue mir schwer mit dem Begriff. Versteht man Krankheit als Einschränkung von Gesundheit, so dreht sich die Definition im Kreis. Klar ist jedenfalls, dass Magersucht, Depressionen, Selbstverletzung oder Zwangshandlungen nur Symptome für etwas dahinter stehendes, etwas viel größeres sind. Ich nenne es Leben und behaupte, dass es nicht immer einfach ist. Eher im Gegenteil. Im letzten Jahr habe ich viel über mich gelernt, über Krankheit, Symptome und Ursachen. Viel wichtiger aber sind die Erkenntnisse über Ressourcen und Kraftquellen, die mich auf den Boden der Tatsachen zurückholen, wenn sich Teile von mir in Bereiche bewegen, in denen sie nichts verloren haben. Allen voran meine Familie, dicht gefolgt von Freunden und Bekannten, die zusammen ein soziales Netz bilden, dass die hohe Stabilität bewiesen hat, mich ganz unabhängig vom Körpergewicht aufzufangen. Danach folgen in meinem Fall Glaube, Kreativität und Bewegung.


Ich bin mittlerweile definitiv wieder in der Lage „meinen wesentlichen Beschäftigungen nachzugehen“, die Symptome, die mich daran gehindert haben, habe ich im Griff. Ich kann wieder Radfahren, Wandern, bin unternehmungslustig und pflege soziale Kontakte. Darüber hinaus gehe ich sogar einer geregelten Beschäftigung nach, so richtig mit festem Arbeitsplatz im Büro, einem bunt gemischten Haufen Kollegen, 40 Stunden Woche und einem monatlicher Betrag auf dem Konto, der die Bezeichnung „Lohn“ verdient und nicht „Taschengeld“ genannt wird. Die Arbeit im Kindergarten war körperlich anstrengend und forderte geistige Aufmerksamkeit. Das FSJ war eine gute Entscheidung und eine wertvolle Erfahrung und der Zeitraum von vier Monaten, die ich „durchgehalten“ habe, zu diesem Zweck vielleicht genau passend. Ich habe eine Menge wunderbare (kleine) Menschen kennen gelernt, der Abschied fiel mir am Ende wesentlich schwerer als zwischenzeitlich gedacht. Noch schwerer fiel mir der Abschied von Berlin, Freunden, Bekannten und meiner WG. Eine passende WG konnte ich nach zwei Monaten Überbrückung auch am neuen Wohnort finden. Minimalistisch, aber äußerst gemütlich habe ich mich dort eingerichtet.


„Man darf sich nicht einrichten.“ war einer der letzten Hinweise, die mir in Berlin mit auf den Weg in fremde Gefilde gegeben wurden. Gemeint war hier aber weniger die Zimmereinrichtung, als die Art der Bequemlichkeit, die es uns schwer macht, aus alten Gewohnheiten auszubrechen, die uns in unbefriedigenden Zuständen verweilen lässt und die uns als Ausrede dient, die Arbeit an uns selber nicht zu forcieren, sondern (weit) hinter Alltag und Routine anzustellen. Mit (eines) anderen Worten (in diesem Fall stammen sie von Bodo Wartke): „Man macht trotz aller Melancholie, so gut es geht im Leben eben irgendwie, zum bösen Spiel gute Miene, funktioniert wie eine Maschine, so kalt in Gestalt von alltäglicher Routine …“ Vielleicht neige ich ein wenig dazu „zu funktionieren“, aber Melancholie und (unbefriedigenden) Routinen habe ich den Kampf angesagt. Ich arbeite an mir und versuche die Situation, in der ich mich befinde, positiv zu beeinflussen. Eingerichtet habe ich mich noch lange nicht.

Es ist viel passiert in den letzten Monaten und ich habe keinen Bruchteil, sondern höchstens ein Bruchteilchen davon hier erwähnt. Für den Moment aber spare ich mir (erspare ich euch?) weitere Worte und lasse zur Ergänzung der oberen wahllos ein paar wild zusammengewürfelte Bilder sprechen. Nicht alles, was ich gerade tue, fühlt sich stimmig oder richtig an und den Baum des Lebens habe ich noch lange nicht bis in den Wipfel erklommen. Aber ich habe das Vertrauen (zurück) gewonnen, dass mein Weg im Großen und Ganzen einen Sinn ergibt und so fühlt sich die momentane Kletterei auf etwa 1/3 der Höhe gar nicht verkehrt an. Und weil ich das schon ganz anders erlebt habe, weiß ich es sehr zu schätzen. Ich habe wieder viele Pläne, Gedanken, Ideen und Ziele und wenn es die (Frei-)Zeit zulässt, möchte ich den Blog wieder nutzen, sie festzuhalten und zu teilen.