Dienstag, 14. November 2017

Exkurs - Längs durch die Stadt

Meine täglichen Wege führen mich kilometerweit mit dem Rad durch Berlin. Die meisten bin ich schon unzählige Male gefahren, dennoch entdecke ich immer wieder Neues. Auf dem Rad fühle ich mich frei und unabhängig, nur selten können mir schlechtes Wetter, lange Strecken oder mangelnde Ausdauer die Laune verderben. Heute war mal wieder ein Trip längs durch Berlin an der Tagesordnung. Auf dem Rückweg sprudelten in Gedanken förmlich die Worte, um das Erleben der Fahrt „zu Papier“ zu bringen. Zuhause angekommen, habe ich mich direkt an den Rechner gesetzt. Die besten Formulierungen sind mir mit zunehmendem Kilometerstand auf dem Tacho leider wieder in Vergessenheit geraten. Den Rest möchte ich trotzdem teilen, als kleinen Exkurs vom Urlaubstagebuch.

Los geht es in Dahlem, ein erfolgreicher Arbeitstag in der Philologischen Bibliothek der Freien Universität Berlin liegt hinter mir. Licht ans Rad – es ist schon dunkel – und ab dafür. Nur noch ein kurzer Zwischenstopp an der Bäckerei Kornfeld, die letzten Vollkornbrötchen bitte, eines als Wegzehrung, zwei fürs Abendessen. Ich lasse die Tradition aus Studienzeiten aufleben. Zu Beginn ist die Fahrt geprägt von Erinnerungen. Vorbei am Botanischen Garten, dem Breitenbachplatz, der alten Wohnung. Den Südwestkorso entlang bis zur lästigen Doppelkreuzung, an der ich mich erst rechts auf dem Radweg vorbeimogele und mich dann, vorne angekommen, links auf der Abbiegespur platziere, um nicht zweimal warten zu müssen. Laubacher Straße, Blissestraße und weiter bis zum Volkspark – meine alte Joggingstrecke. Hier biege ich noch einmal ab auf die Uhlandstraße, dann heißt es: immer geradeaus. Ich bin ein ums andere Mal verwundert, wie schnell sich dieser erste Teil der Strecke fährt. Ohne mit der Wimper zu zucken bin ich über den Ku’damm, am Savignyplatz, am Ernst-Reuter-Platz.

Ab hier wird es zäher, der große Kreisverkehr wartet wie immer mit drei roten Ampeln auf mich. Ich überquere Landwehrkanal und Spree, die Großbaustelle an der Gotzkowskybrücke fordert meine Aufmerksamkeit. Die Markierungen für Radfahrer werden insbesondere von anderen Verkehrsteilnehmern gerne übersehen. An der Kreuzung Alt-Moabit gilt es wie immer eine Entscheidung zu treffen: Rechts oder links? Meistens entscheide ich mich für links, so auch heute. Ich erklimme also die Beusselstraße und bestaune die breiten Becken des Westhafens, inmitten derer historische Gebäude neben modernen Silos thronen, zwischen denen stapelweise Frachtcontainer lagern. Wie kann ein so kleiner Teil Berlins nur so unfassbar groß erscheinen? Hier zeigt sich mir das immense Ausmaß der Stadt.

Dreimal übers Wasser und es steht wieder eine Entscheidung an: Seestraße Ecke Dohnagestell überlasse ich sie gerne der Ampel und fahre, wie es gerade grün ist. Heute leitet mich das Schicksal geradeaus, weiter die Seestraße entlang, auf dem Radweg vorbei an dem sich stauenden Autoverkehr. Vier Streifenwagen versperren den Weg, der Grund für das Blaulicht ist mir nicht ersichtlich. Ich stoße auf die Müllerstraße, biege links ab. Durch Geschäfte, Restaurants, Kioske und Imbissläden ist es so hell erleuchtet, dass ich kurz prüfe, ob meine Lichter noch brennen. Nun heißt es einmal quer durch den Wedding – nicht gerade meine liebste Gegend. Auch hier habe ich kurzzeitig gewohnt und keine besonders guten Erinnerungen daran. Passend dazu beginnt es zu nieseln und der Wind, der zuvor noch charmant aus der richtigen Richtung blies, schlägt mir plötzlich entgegen. Zudem passieren zwei weitere Einsatzfahrzeuge, ich begebe mich in die Rettungsgasse. Kurz darauf kommt noch ein Notarztwagen entgegen, wieder Blaulicht, wieder Sirene, was ist denn bloß los heute Abend?

Die frische Luft tut dennoch gut und Müllerstraße Ecke Barfussstraße entscheide ich spontan, nicht den direkten Weg durch Schillerpark und Weiße Stadt, sondern noch einen kleinen Schlenker zu fahren. So biege ich erst am Kurt-Schumacher-Platz ab und nehme die Ollenhauerstraße Richtung Norden. Vorbei an Lidl, Aldi, Kaufland, Edeka und den beiden großen Autohäusern, dann wird es ruhiger. Ein Ortsschild bescheinigt mir, Reinickendorf erreicht zu haben. Die nächste Kreuzung rechts, jetzt führt mich die Lindauer Allee auf den letzten Kilometer. Kurz vor ihrem Ende biege ich links ab: „Sie haben Ihr Ziel erreicht“.

1 Kommentar: